====== Gottfried Wilhelm Lehmann ====== **Gottfried Wilhelm** **Lehmann** (* 23. Oktober 1799 in Hamburg; † 21. Februar 1882 in Berlin) war Lithograph und Kupferstecher und neben J. G. Oncken und J. Köbner einer der Mitbegründer des deutschen Baptismus nämlich als Gründer, Vorsteher und Prediger der ersten Baptistengemeinde in Preußen, d.h. in Berlin. Er gilt als ein Vorkämpfer für die Religionsfreiheit in Preußen sowie als Initiator und Mitbegründer der Evangelischen Allianz in Deutschland. ===== Leben ===== {{ :lehmann-gottfried-wilhelm.jpg?nolink&200x261|lehmann-gottfried-wilhelm.jpg}}Er wurde in Hamburg im Stadtteil St. Georg geboren. Einen Teil seiner Jugend (1813-1817) verbrachte er in Leer, um bei einem Onkel das Sattlerhandwerk zu lernen und kam dort auch in Berührung mit dem Glauben. Danach kehrte er nach Berlin zurück, wo sein lutherischer Vater wie auch sein Bruder als Kupferstecher arbeiteten. Lehmann absolvierte an der Kunstakademie ein Studium der Lithographie und des Kupferstechens. Dort in Berlin erlebte er seine Bekehrung um 1818. Seine religiöse Heimat wurde die Berliner Erweckungsbewegung der Böhmisch-lutherischen Kirche (Johannes Jänicke) und der Herrnhuter Brüdergemeine (Bischof Anders). Er engagierte sich in deren Aktivitäten wie der Schriftenverbreitung und im Mäßigkeitsverein. Auch war er ein Freund der Heidenmission von Johannes Goßner. Mit J. G. Oncken kam er in Verbindung durch die Arbeit der Edinburger Bibelgesellschaft. Er besuchte ihn und die Gemeinde 1835 in Hamburg, brauchte aber noch zwei Jahre für die Frage nach Taufe und Gemeinde. Am 13. Mai 1837 ließ er sich bei einem Gegenbesuch Onckens in Berlin durch diesen mit fünf anderen im Rummelsburger See taufen und gründete tags darauf die Berliner Gemeinde als zweite Baptistengemeinde in Deutschland. Für sie verfasste er 1843 ein "Glaubens-Bekenntnis". Da die kleine Gemeinde ihn nicht bezahlen konnte, trat er 1838 zur Hälfte in den Dienst der baptistischen Bostoner Missionsgesellschaft, um Ende 1843 ganz in deren Dienst einzutreten. Organisatorisch begabt, kämpfte er für die rechtliche Anerkennung der Gemeinden (die erfolgte erst 1875 für Berlin und Preußen) und gründete die "Vereinigung" der Baptistengemeinden Preußens 1848 als älteste Vereinigung des entstehenden Bundes der Baptistengemeinden (1849). Als profilierter Baptist engagierte er sich stark für das Gestaltwerden der Einheit des Leibes Christi. Die Gründung des deutschen Zweiges der Ev. Allianz 1852 gemeinsam mit Pastor Eduard Kuntze geht darum auf seine Initiative zurück (sie hieß in der Anfangszeit noch Ev. Bund). Auf deren internationaler Berliner Konferenz 1857 begründete er "die Entstehung von Freikirchen angelsächsischen Ursprungs in Deutschland mit dem Hinweis auf die Situation der entkirchlichten Massen" (G. Balders). Schon 1854 hatte er in seinem "//Offenen Sendschreiben//" die Baptistengemeinden gegen den Vorwurf der Proselytenmacherei verteidigt und die ev. Kirche aufgefordert, den Baptisten nicht länger die Religionsfreiheit zu verweigern und auf die Inanspruchnahme staatlicher Mittel gegen Andersdenkende zu verzichten. 1855 gewährte der König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., Lehmann zusammen mit J. G. Oncken und Carl Schauffler eine Audienz, bei der sie ein Gesuch um Anerkennung der Gemeinden persönlich vortrugen. Im selben Jahr besuchte Lehmann mit Köbner die Pariser Allianzversammlung, auf der Lehmann in Sachen Religionsfreiheit das Wort ergriff (Missionsblatt 1855, Nr. 10-12). Gegenüber dem Kultusminister von Bethmann-Hollweg erklärte Lehmann "gut baptistisch und zugleich pietistisch" (Balders) "//dass das eigentliche Prinzip der Baptisten die Darstellung der Gemeine Jesu nach dem ursprünglichen Muster in der apostolischen Zeit sei und dass wir das Hauptgewicht auf die Wiedergeburt legen"//. Lehmann unternahm vielfältig Reisen u.a. bis nach Ostpreußen, England, in den Harz und nach Ostfriesland, blieb aber zeitlebens Vorsteher und Prediger der Berliner Gemeinde. Dem calvinistisch geprägten J. G. Oncken gegenüber konnte Lehmann seine aus dem Herrnhuter Pietismus stammende weitherzigere Tauf- und Abendmahlslehre nicht durchsetzen (offenes statt geschlossenes Abendmahl, Anerkennung der Kleinkindertaufe als sogenannte "Auch-Taufe" [auf der Konferenz der Preußischen Vereinigung 1848 in Stettin]//, vgl. dazu Festschrift Hundert Jahre Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Hamburg-Altona I, 1871-1971, 7 [//Text v. Hans Luckey//] und Hans Luckey, Oekumenische Einflüsse. Wichern und die angelsächsische Erweckungsbewegung, in: Reform von Kirche und Gesellschaft 1848-1973, hg. v. H.C. von Hase und P. Meinhold, Stuttgart 1973, 164//). Auch die von ihm eingeführte Kindersegnung konnte sich auf Dauer nicht durchsetzen (//Luckey, Lehmann-Biographie, 1939, 69.151f//). Von Lehmann stammen vier Lieder, die in das Liederbuch "Glaubensstimme", von Köbner erstmalig 1849 herausgegeben, Eingang fanden: //Herr, mein Hort! Dein teures Wort (510); Heil! (1950: Kommt) uns vereint die Jesuslieb (533); O Liebe, wie groß (523); O welche große Friedensschar// //(440) (Ausgabe von 1860)//. Ebenso enthalten in "Glaubensstimme" von 1950, Nr. 295, 312, 314, 431). G. W. Lehmann war seit 1827 verheiratet mit Eleonora, geb. Eichner; mit ihr hatte er zwei Söhne (darunter Joseph) und eine Tochter. Nach dem Tod seiner Frau 1844 heiratete er 1848 Pauline, geb. Handwerk; seiner 2. Ehe entstammten zwei Söhne (darunter Johann Gerhard) und zwei Töchter. //Bedeutung//: Gottfried Wilhelm Lehmann war nicht nur kluger Organisator der entstehenden Baptistengemeinden und Vorkämpfer für Religionsfreiheit und rechtliche Anerkennung der Gemeinden. Er förderte die christliche Einheit unter den Glaubenden und stellte sie über die konfessionell-spaltende Tauffrage, weil "//erst das Bekenntnis zur vorgegebenen Einheit des Leibes Christi der eigenen Konfession ihre rechte Bedeutung zuweist//" (Zitat nach Edwin Brandt [Hg], Offenes Sendschreiben, Nachdruck 1987, 10). Lehmann konnte darum sagen, "//dass einige von uns zu viel Gewicht auf die unterscheidende Lehre von der Taufe legen und zu früh damit hervortreten. Aber ich darf aufrichtig versichern, … dass das Evangelium von Jesu Christo dem Gekreuzigten der Hauptgegenstand unserer Lehre ist und dass wir für Ihn Seelen zu werben suchen//" (ebenda, S. 7). (//RF//) //Kurzbiographie von Günter Balders, in: G. Balders (Hg), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, 1984, S. 349f.// //Ausführlichere Biographie siehe // //Günter Balders, Die deutschen Baptisten und der Herrnhuter Pietismus, in: Freikirchenforschung 1993, Nr. 3, S. 26ff//; //vgl. auch ders, "Die Mission ist unser Hauptthema". Die Anfänge des Landesverbandes Berlin-Brandenburg, in: Die Gemeinde 12/2010, S. 8f.// //Kurzbiographie in wikipedia: // [[https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Wilhelm_Lehmann|https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Wilhelm_Lehmann ]] //Zum ersten Kontakt mit Oncken und seine Taufe, siehe J. Lehmann, Geschichte, Bd. 1, 1896, 57-62//. //Biographisches zu G.W.Lehmann siehe auch//: Astrid Giebel, Glaube, der in der Liebe tätig wird (Baptismus-Studien 1), Kassel 2000, Register, bes. S. 34-37. //Zu Lehmanns Wirken für Religionsfreiheit siehe: // Karl Heinz Voigt, Religionsfreiheit bei Baptisten und Methodisten in Deutschland. Versuch eines Vergleichs, in: Erich Geldbach u.a. (Hgg), Religionsfreiheit. Festschrift zum 200. Geburtstag von Julius Köbner, Berlin 2006, S. (295-324) 296-306.323. Ulrich Schöntube, Gottfried Wilhelm Lehmann. Die Entstehung der baptistischen Gemeinde in Berlin und die Religionsfreiheit in Preußen (überarbeitete Fassung eines Vortrags beim Verein für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte am 6.12.2012), in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 70 (2015), S. 159-178: [[https://www.researchgate.net/publication/321622167_Gottfried_Wilhelm_Lehmann_Die_Entstehung_der_baptistischen_Gemeinde_in_Berlin_und_die_Religionsfreiheit_in_Preussen_1|https://www.researchgate.net/publication/321622167_Gottfried_Wilhelm_Lehmann_Die_Entstehung_der_baptistischen_Gemeinde_in_Berlin_und_die_Religionsfreiheit_in_Preussen_1]] //**Biographie**: Hans Luckey, Gottfried Wilhelm Lehmann und die Entstehung einer deutschen Freikirche, Kassel 1939 (205 S.).// //weitere Biographien siehe Literatur// ===== Quellen ===== Nachlass im Oncken-Archiv Elstal. Tagebücher (55 Bände) und Predigten (40 Bände) (//vgl. J. Lehmann, Geschichte, Bd. 1, 1896, 62; H. Luckey, J.G.Oncken, ³1958, 8: "daß alles historische Material, soweit es bei den Gemeinden Hamburg-Böhmkenstraße oder Berlin-Schmidtstraße lag, verbrannt ist"//). Handbuch M. Jelten, 1997, S. 234. //siehe auch: //Hans Luckey, Gottfried Wilhelm Lehmann und die Entstehung einer deutschen Freikirche, Kassel 1939, 196-198. ===== Veröffentlichungen ===== Wer soll getauft werden, und worin besteht die Taufe?, Leipzig 1838 u.ö. (Übersetzung von Richard Pengilly, A Scriptural Guide to Baptism, einem englischen Baptistenprediger, bearbeitet von G.W.Lehmann mit von ihm hinzugefügten Zitaten aus deutschen Kommentaren) (//vgl. dazu J.Lehmann, Geschichte, Bd. 1, neubearbeitet v. F.W.Herrmann, (1912) ³1923, S. 237f; // //Hans Luckey, Gottfried Wilhelm Lehmann, Kassel 1939, 66; Günter Balders, Zu den Taufartikeln, in U.Swarat (Hg), Wer glaubt und getauft wird, Kassel 2010, 174 und Andrea Strübind, Warum die Wege sich trennten, in: ZThG 12/2007, 258f//). Robert Haldane, Kommentar zum Römerbrief, deutsch, drei Bände (bearbeitet von G.W.Lehmann), hg. in Onckens Buchverlag Hamburg 1839. Glaubens-Bekenntnis der Baptisten-Gemeinde in Berlin, 1843 (//vgl. dazu J. Lehmann, Geschichte, Bd. 1, 1896, 255; Hans Luckey, Gottfried Wilhelm Lehmann und die Entstehung einer deutschen Freikirche, Kassel 1939, S. 147-149; // //G. Balders, Werden und Wirkung von Glaubensbekenntnissen, in: Wort und Tat 1/1971, (10-15) 12; ders., Herausgefordert zum Bekenntnis, in: Die Gemeinde 1976, Nr. 29; ders., Theurer Bruder Oncken, 1978, 87f; ders., Die deutschen Baptisten und der Herrnhuter Pietismus, in: Freikirchenforschung 1993, Nr. 3, S. 31f.38f,// // und Edwin Brandt, Vom Bekenntnis der Baptisten, in: Balders [Hg], Ein Herr, 1984, 182f//). Glaubensbekenntnis und Verfassung der Gemeinden getaufter Christen, gewöhnlich Baptisten genannt, 1847 (Mitverfasser) (//vgl. dazu J. Lehmann, Geschichte, Bd. 1, 255f; // G. Balders, Werden und Wirkung von Glaubensbekenntnissen, in: Wort und Tat 1971, H. 1, S. 12-14; //ders., Theurer Bruder Oncken, 88-90; Edwin Brandt, Vom Bekenntnis der Baptisten, in: Günter Balders [Hg], Ein Herr, 183-186; // //Wiard Popkes, Gemeinde - Raum des Vertrauens. Neutestamentliche Beobachtungen und freikirchliche Perspektiven, Wuppertal und Kassel 1984 S. 162f;// //Carsten Claußen, Aspekte des Glaubens im Neuen Testament, in: ZThG 3/1998, 266 [im Internet verfügbar]; // //Günter Balders, Vom Verhältnis des deutschen Baptismus zum historischen Pietismus, in: ThGespr 2003, H. 4 (Edwin Peter Brandt zum 60. Geburtstag), S. (135-165) 141.153f und ders.//,// in: Uwe Swarat [Hg], Wer glaubt und getauft wird… Texte zum Taufverständnis im deutschen Baptismus, Kassel 2010, S. 179-181//)//.// Wieder abgedruckt in: J. Lehmann, Geschichte der deutschen Baptisten, Bd. 1, neu bearbeitet von F. W. Herrmann, Cassel (1912) ³1923, S. 246-262; in: J.D.Hughey, Die Baptisten. Einführung in Lehre, Praxis und Geschichte, Kassel 1959, S. 143-159 und in: H. Steubing, Bekenntnisse der Kirche. Bekenntnistexte aus 20 Jahrhunderten (TVG), Wuppertal (1985) ³1997, S. 272-282. Im Internet, ohne Belegstellen aus der Heiligen Schrift, The Reformedreader, 1999: [[http://www.reformedreader.org/ccc/germanbaptist.htm|http://www.reformedreader.org/ccc/germanbaptist.htm ]] Bericht über die 1. Bundeskonferenz in Hamburg 1849, in: J. Lehmann, Geschichte, Bd. 2, 1900, S. 24-35. Über die Irvingianer, Hamburg 1853 (43 S.). Offenes Sendschreiben an den deutschen evangelischen Kirchentag, Hamburg 1854 (20 S., //vgl. dazu J. Lehmann, Geschichte, Bd. 2, 125f// //und G. Balders (Hg), Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. 150 Jahre Baptistengemeinden in Deutschland 1834-1984. Festschrift, Wuppertal/Kassel 1984, S. 36f)//; zum 150jährigen Jubiläum der Berliner Baptistengemeinden neu herausgegeben und eingeleitet von Edwin Brandt, Wuppertal und Kassel 1987 (//Einleitung von Edwin Brandt S. 1-19; Sendschreiben S. 21-36//). Geschichte der Gemeinen getaufter Christen (Baptisten) in Deutschland und den angrenzenden Ländern seit dem Jahre 1834, Berlin 1869 (23 S.). Art. in NEK (Neue Ev. Kirchen-Zeitung), 1875, S. 710 (//vgl. dazu K.H.Voigt, Die Heiligungsbewegung zwischen Methodistischer Kirche und Landeskirchlicher Gemeinschaft [TVG 418], Wuppertal 1996, S. 82//). //Fortsetzung: //Geschichte der Gemeinde getaufter Christen, in: Der Zionsbote 14/1878//. // //Posthum:// Zur Entstehung unseres Glaubensbekenntnisses, in: Hilfsbote 29/1909, S. 163; wieder abgedruckt in: Uwe Swarat (Hg), Wer glaubt und getauft wird… Texte zum Taufverständnis im deutschen Baptismus, Kassel 2010, S. 180f. ===== Literatur ===== **//Biographien//** : Joseph Lehmann, Gottfried Wilhelm Lehmann, Gründer und erster Prediger der Baptisten-Gemeinde in Berlin in seinem Leben und Wirken, Hamburg 1887. Gustav Gieselbusch, G. W. Lehmann, ein Vorkämpfer der Gewissensfreiheit, in: Wort und Werk 1912, Nr. 2, S. 18-21. Friedrich Wilhelm Simoleit, Gottfried Wilhelm Lehmann, der Gründer der Gemeinde, sein Beitrag zum Gedanken- und Lebensgut der deutschen Baptisten. Eine Skizze, in: Festschrift zur Hundertjahrfeier der Ersten Baptistengemeinde Berlin Schmidstraße 1837-1937, S. 9-16. Hans Luckey, Gottfried Wilhelm Lehmann und die Entstehung einer deutschen Freikirche, Kassel 1939 (205 S.). Günter Balders, Art. Lehmann, Gottfried Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 14 (1985), S. 79f: [[https://www.deutsche-biographie.de/gnd139654941.html#ndbcontent